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Politische Online-Kommunikation und potenzielle Kollateralschäden
lpr-forum-medienzukunft 2013 zum Thema „Wähler im Netz“ am 7. März in Frankfurt

Frankfurt am Main, 7. März 2013
Wissenschaftler, Internet-Experten und Politiker haben beim lpr-forum-medienzukunft in Frankfurt darüber diskutiert, wie das Internet die politische Kommunikation und vor allem den Wahlkampf verändert. Dabei prognostizierten die Referenten und Diskussionsteilnehmer eine weitere Amerikanisierung des Ringens um die Wählerstimmen via World Wide Web. Soziale Netzwerke, Blogs und Online-Videos können die Informations- und Meinungsfreiheit bereichern. Zugleich aber lauern im Internet auch Gefahren für den politischen Diskurs: Dies gilt etwa dann, wenn das Datennetz zur virtuellen Arena für symbolische Politik mutiert oder aber Kommunikationsprozesse so stark beschleunigt werden, dass zu wenig Raum für kritische Reflexion bleibt.

Der Direktor der LPR Hessen, Wolfgang Thaenert, wies bei seiner Eröffnungsrede darauf hin, angesichts des „Generationsabrisses“ klassischer Medien – vor allem Zeitungen, ARD und ZDF erreichen immer weniger junge Menschen – müssten Politiker neue Wege suchen, um Wähler zu erreichen. Dabei spielten das Internet und vor allem soziale Online-Netzwerke eine zentrale Rolle. Personalisierte Kommunikation in Echtzeit, Vernetzung und die zahlreichen Möglichkeiten zum Online-Feedback könnten dazu beitragen, politische Kommunikation zu beleben. Solche Motivationsanreize seien notwendig, um der Wahlmüdigkeit entgegenzuwirken, die sich vor allem bei jungen Menschen feststellen lasse. In den USA habe Barack Obama im vergangenen Jahr „virtuos die Möglichkeiten des Web 2.0 genutzt“, urteilte Thaenert. Allerdings sei die im US-Wahlkampf perfektionierte systematische Auswertung einer Kombination von Konsum- und Wählerdaten in Deutschland aus datenschutzrechtlichen Vorgaben wenig wahrscheinlich.

Michael Boddenberg, Hessischer Minister für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigter des Landes beim Bund, schilderte, wie sich die Kommunikation mit den Wählern in den vergan-genen Jahren verändert hat. Es werde heute „weniger Papier“ eingesetzt und es sei eine „genauere Zielgruppenansprache“ möglich. Boddenberg berichtete, er diskutiere vor Bundesratssitzungen regelmäßig von Berlin aus via Skype mit Klassen hessischer Schulen. Boddenberg arbeitet mit iPhone und iPad, nutzt seine Facebook-Seite aber nur für Pressemitteilungen. Positiv am Internet sei die Möglichkeit, detaillierte Informationen bereit- und so Transparenz herzustellen. Zugleich kritisierte der hessische Landesminister, dass viele Web-2.0-Angebote der Komplexität politischer Inhalte nicht gerecht werden könnten. Dies gelte auch für Twitter.

Der Politikwissenschaftler Christoph Bieber, der an der Universität Duisburg-Essen als Stiftungsprofessor für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft lehrt, nannte vier zentrale Elemente von modernen Online-Wahlkämpfen. Erstens würden soziale Netzwerke aus flüchtigen Kommunikationskontakten persönliche Öffentlichkeiten prägen, die sich jeder Nutzer selbst schaffe. Zweitens biete politische Echtzeitkommunikation via Twitter Politikern die Chance, sich jenseits der klassischen Medien eigene Kommunikationskanäle zu schaffen. Dazu trügen drittens auch Online-Videos bei, die es erlaubten, dass sich Politiker und Parteien selbst inszenierten. Viertens ermöglichten Social Communitys und digitale Datenbanken die Sammlung und Auswertung umfangreichen Datenmaterials (Big Data), was eine optimale und individuelle Ansprache einzelner Wähler zulasse.

Der Rechtswissenschaftler Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld warnte zum Abschluss des lpr-forum-medienzukunft vor „Kollateralschäden“ des Internets für die Demokratie. Zwar biete das World Wide Web Informationen und Interaktivität. Allerdings fehlten im weltweiten Datennetz oft Einordnung und Analyse. Deshalb sei es umso bedenklicher, wenn das Internet die traditionellen Medien und ihre Qualitätsfilter zu verdrängen drohe. Mayer sprach von den Risiken einer „häppchenweisen Informationsaufnahmekultur“ und von einer „Stimmungsabhängigkeit der Politik“ im Zeitalter der Online-Echtzeitkommunikation. Kritisch bewertete der Experte für Ver-fassungsrecht auch die starke Position großer Internetkonzerne, die sich national nicht mehr regulieren ließen. Angesichts solcher Trends gelte es eine Entwicklung zu vermeiden, die den Staatsbürger zum Netz-Untertan mache.

Weitere Informationen unter www.lpr-forum-medienzukunft.de

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